Hast Du Dir schon mal selbst zugehört, wie Du über Dich und das, was Dich so beschäftigt, sprichst? Mach das mal, denn was viele von uns gar nicht merken ist: Worte können sehr mächtig sein. Mit der Wahl unserer Worte können wir uns in Probleme regelrecht hinein hypnotisieren. Auf der anderen Seite können wir sie aber auch sehr gut für uns nutzen, um uns das Leben angenehmer zu machen.
Ich gebe Dir mal ein Beispiel: Ich habe mal an einer Online-Schreib-Challenge teilgenommen, in der wir in einer Gruppe 30 Tage lang jeden Tag einen kurzen Essay auf X (damals noch Twitter) veröffentlicht und uns gegenseitig Feedback gegeben haben. (Der Kurs nennt sich Ship 30 for 30 – falls Du online schreiben möchtest, ist das eine Super Community, die ich sehr empfehlen kann, um aus der Komfortzone rauszukommen und den Start zu wagen.)
Ich habe dort viele talentierte Menschen getroffen, die eigentlich sehr offen und freundschaftlich miteinander umgegangen sind.
Aber wenn ich gelesen habe, was sie schreiben, kam ich mir manchmal vor, als wären wir alle im Krieg: Deine Gruppe, mit der Du in die Challenge startest, wird »Kohorte« genannt. Da kriegst Du direkt schon mal die Einladung, dich als Soldatin in einer militärischen Einheit zu identifizieren. Alle Schreiberlinge freuen sich, endlich zu starten, und schicken Motivations-Memes in den Gruppenchat: Schlachtschiffe, von denen Kanonen abgefeuert werden.
In ihren Essays ist dann nicht selten von den diversen »Fronten« die Rede, an denen sie »kämpfen«: sie sagen schlechten Angewohnheiten den Kampf an, den weißen Seiten, die sich wehren, vollgeschrieben zu werden, ringen mit dem eigenen inneren Schweinehund oder dem Imposter-Syndrom (dass sie sich als Hochstapler empfinden), oder was auch immer.
Offensichtlich beschreiben wir einiges, dem wir im Leben begegnen, mit Kampf- und Kriegs-Bildern. Selbst wenn uns etwas eigentlich angenehmes widerfährt, zum Beispiel, dass wir eine wertvolle Erkenntnis haben, dann nennen wir das eine »Wahrheitsbombe« oder »Truthbomb« oder benutzen dafür das Mein-Kopf-explodiert-gerade-Emoji.
Ja, klar, man kann solche Bilder benutzen, um die Stärke und Unaufhaltsamkeit auszudrücken, mit der so etwas über einen hereinbricht und die Anstrengung, die uns manche Dinge bereiten. Der Punkt ist aber: Wenn wir solche Wörter benutzen, dann suggerieren wir unserem Organismus damit auch die Gewaltsamkeit und Härte des Erlebens. Finde ich kein soooo cooles Gefühl, ehrlich gesagt.
Mit den Worten, die wir in unserem Kopf benutzen, um die Realität zu beschreiben, mit den Geschichten, die wir uns selbst erzählen, schaffen wir unser Erleben der Welt. Und können uns gewaltig in Probleme hineinhypnotisieren. Dessen waren sich schon antike Philosophen wie die Stoiker bewusst.
»Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht.« hat Marc Aurel gesagt. Oder: »Nach der Beschaffenheit der Gegenstände, die du dir am häufigsten vorstellst, wird sich auch deine Gesinnung richten; denn von den Gedanken nimmt die Seele ihre Farbe an.« Von Epiktet stammt der Ausspruch: »Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern ihre Meinungen über die Dinge.«
Heute haben wir mit dem Konstruktivismus eine Theorie, die besagt, dass Menschen die Realität subjektiv und durch persönliche, soziale und kulturelle Faktoren geprägt wahrnehmen sowie durch individuelle Erfahrungen und Interpretationen der Welt ihre eigene Wirklichkeit schaffen. Menschliche Erkenntnisse sind damit das Ergebnis von kognitiven Konstruktionsprozessen.
In der Psychologie nimmt der hypnosystemische Ansatz diese Theorie auf. Der Begründer, der Arzt und Therapeut Gunther Schmidt, nennt unsere »Wahrnehmung« eine »Wahrgebung«, weil wir dem Erlebten die Bedeutung selber geben. Und das meist auch noch mit mehreren Stimmen, denn in uns gibt es verschiedene Anteile mit unterschiedlichen Bedürfnissen, die sich da zu Wort melden können.
Die gute Nachricht daran ist: Ich kann ja selber gucken, worauf ich meine Aufmerksamkeit lenke, welche Geschichten ich mir dazu erzähle und welche Worte ich dafür verwende. Und so kann ich beeinflussen, wie ich etwas erlebe. Welches Spiel möchte ich spielen: eins mit Krieg und Kampf oder lieber eins mit Wachstum und Entfaltung? Wenn ich mich durch meine eigenen Worte in ein Problem hinein hypnotisieren kann, kann ich mich auch wieder heraus hypnotisieren. Vieles läuft zwar schon unwillkürlich ab, weil wir es über Jahre so verinnerlicht haben und weil es anfangs vielleicht auch mal nützlich war. Aber ein Bewusstsein für diese Prozesse zu entwickeln und zu erkennen, wenn man wenig nützliche Sprachmuster nutzt und zu schauen, ob man das auch mit einer hilfreicheren Sprache beschreiben kann, ist ein wichtiger Schritt.
Damit meine ich jetzt nicht, dass wir uns ständig alles rosarot schwafeln sollen. Wenn wir was als Scheiße empfinden, ist es auch wichtig, das Leid und die Scheiße erst einmal anzuerkennen. Nur: wir können uns ewig in der Scheiße aalen und uns erzählen wie doof das alles ist, oder wir können uns auf unsere Kompetenzen fokussieren und schauen, wo die Stellschrauben sind, an denen wir drehen können, um was zu ändern. Und dabei hilft es, wenn wir über den Mist auch so reden (auch zu uns selbst in unserem Kopf), dass er nicht auf alle Ewigkeit in Stein gemeißelt ist, sondern es momentan eventuell ein bisschen kompliziert ist, und wir uns auf die Suche nach Optionen begeben, wie wir es aktiv verbessern können. Oder, falls eine Verbesserung tatsächlich nicht möglich ist, wie wir wenigstens unsere Haltung dazu verändern, eine andere Perspektive darauf gewinnen können.
Nochmal zurück zu meinem Beispiel aus dem Kurs für Online-Autoren: Wenn ich also diesen Kurs mache, um meine Schreibfähigkeiten zu verbessern, dann kann ich mir dieses Erlebnis doch lieber als eine Entdeckungsreise vorstellen statt als Kriegszug. Und neugierig sein auf das, was ich entdecken werde, das mich aber nicht umhaut wie eine Bombe oder mir mein Hirn zerfetzt, sondern meine Gedanken und Fähigkeiten anregt, damit ich über mich hinauswachse. Vielleicht wie eine Blume aufblüht, oder wie jemand, der behutsam einen verborgenen Schatz hebt und bewundert.
Und was glaubst Du wohl, mit welcher Einstellung fällt es mir leichter, einen Text zu schreiben? Wenn ich mir erzähle, dass ich mit der leeren Seite ringe oder fechte und sie besiegen muss? Oder wenn ich mir sage, cool, hier gibt es ein großes, freies Beet, auf das ich jetzt meine Idee oder meine Geschichte säen kann, und dann bin ich mal gespannt, wie sie wächst.
Wenn Du also gerade im Moment irgend etwas als schwierig für Dich empfindest, dann kann es sich lohnen, mal genau hinzuhören, wie sich Dein inneres Selbstgespräch dazu anhört. Und auch, wie Du mit anderen darüber sprichst. Ist da Kampf-Vokabular? Sind da Abwertungen? »Wie doof bin ich eigentlich, dass ich das nicht hinkriege« und so was in der Art? Wie nützlich wirkt das auf Dich? Welche Energie entwickelt dieses Selbstgespräch für Dich? Könnte man das ein oder andere umformulieren?
Was gibt Dir das für Vibes, wenn Du Dir innerlich sagst: »Ich kann das nicht«, versus »Da bin ich noch ein Anfänger, das trainiere ich jetzt.« Im ersten Fall lässt Du Dir ja gar keine Chance. Kann ich nicht, werde ich nie können. Im zweiten Fall gibst Du Dir die Möglichkeit, es zu üben und natürlich dabei auch den ein oder anderen Fehler zu machen. Klar, kann sein, dass es nicht beim ersten Mal klappt, aber je mehr ich übe, desto besser werde ich.
Du kannst Dir Deine Selbstgespräche dazu auch aufschreiben und dann den Formulierungen, die Dir wenig nützlich erscheinen, hilfreichere gegenüberstellen. So machst Du Dir quasi ein Vokabelheft für motivierenden Self-Talk. Und entwickelst nach und nach ein Bewusstsein dafür, wie Du unterstützend mit Dir reden kannst.
Schreib mir gerne mal in die Kommentare, wie das klappt. Und wenn Du noch Fragen hast, kannst Du die natürlich auch dort stellen. Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg mit Deiner neuen Sprachkompetenz.
The Power of Words – How you talk can change your life
Have you ever listened to how you talk about yourself and what’s going on? Try it! Because what many of us don’t realize is that words are extremely mighty. With our choice of words, we can literally hypnotize ourselves into problems. On the other hand, we can also use them to our advantage to achieve our goals more easily.
Let me give you an example: I once took part in an online writing challenge in which each participant published a short essay on X (formerly known as Twitter) every day for 30 days and all gave each other feedback. (The course is called Ship 30 for 30 – if you want to write online, this is a splendid community that I can highly recommend for stepping out of your comfort zone and getting started).
I met a lot of talented people there who were actually very open and friendly.
But when I read what everyone wrote, I sometimes felt like we were all at war. It starts with the fact that the groups of writers are called “cohorts”. So they are suggesting that you identify yourself as a soldier in a military unit.
When all the writers were excited to get started, they posted motivational memes in the group chat: battleships from which cannons were fired.
In their essays, they often talk about the various “fronts” on which they are “fighting”: they “struggle” with bad habits, white pages that refuse to be written or imposter syndrome, or whatever.
Obviously, we tend to describe the things we encounter in life with metaphors of struggle and war. Even when something pleasant happens to us, such as having a valuable insight, we call it a “truth bomb” or or use the my-head-explodes-straight emoji.
Yes, of course, you can use such wording to express the strength and inevitability with which something breaks over you and the effort that some things call for. But the point is: when we use such words, we also suggest to our organism to experience violence and harshness. I don’t think that’s such a cool feeling, to be honest.
With the words we use in our heads to describe reality, with the stories we tell ourselves, we create our experience of the world. And we can hypnotize ourselves into problems.
Even ancient philosophers such as the Stoics were aware of this. “Our life is what our thoughts make it.” said Marcus Aurelius. Or: “According to the nature of the objects which you imagine most frequently, your mind will also be directed; for it is from thoughts that the soul takes its colour.” Epictetus said: “It is not the things themselves that disturb people, but their judgments about these things.”
Today, constructivism is a theory that states that people perceive reality subjectively and shaped by personal, social and cultural factors and create their own reality through individual experiences and interpretations of the world. Human knowledge is therefore the result of cognitive construction processes.
In psychology, the hypnosystemic approach takes up this theory. Its founder, the German doctor and therapist Gunther Schmidt, calls our “Wahrnehmung” (perceiving of reality) a “Wahrgebung” (giving of reality) because we give meaning to what we experience ourselves. And we usually do this with several voices, because there are different parts of us with different needs that can make themselves heard.
The good news is: We all can choose for ourselves what we focus our attention on, what stories we tell ourselves about it and what words we use. We can influence how we experience something.
We can decide which game we want to play: One of war and fighting? Or one of growth and development?
If I can hypnotize myself into a problem with my own words, I can also hypnotize myself out of it. Many things happen involuntarily because we have internalized them over the years and they may even have been useful initially. However, it is an important step to become aware of these processes and to observe when you are using less useful speech patterns so that you can try and exchange them for more helpful ones.
I am not saying that we should constantly talk ourselves into a rosy rose. If we feel something to be shitty, it’s also important to acknowledge the suffering and the shit first. But: we can wallow in the shit forever and tell ourselves how stupid it all is, or we can focus on our skills and see where the screws are that we can turn to change things.
And it helps if we talk about the crap (including to ourselves in our heads) in such a way that it’s not set in stone for all eternity, but that it might be a bit complicated at the moment and we start looking for options on how we can actively improve it. Or, if an improvement is actually not possible, how we can at least change our attitude and gain a different perspective.
Back to my example of the online writing course: So if I’m doing this course to improve my writing skills, I can think of this experience as a journey of discovery rather than a campaign of war. And be curious about what I will discover. That won’t blow me away like a bomb or blow up my head, but will stimulate my thoughts and abilities so that I can grow. Perhaps like a flower blossoming, or like someone carefully lifting and putting to use a treasure that has been hidden for a long time.
And what attitude do you think makes it easier for me to write a text? Telling myself that I am wrestling or fencing with the blank page and have to conquer it? Or saying: “Cool, there’s a big, empty piece of land here where I can now sow my idea or my story and be curious to see how it grows.“
So if you feel that something is difficult for you at the moment, it may be worth listening carefully to how your inner self talks about it. And also how you talk about it with others.
Is there any fighting vocabulary? Are there any judgements? “How stupid am I that I can’t manage this” and things like that? How useful is this for you? What energy does this self-talk develop for you? Could one or two things be rephrased?
What kind of vibes does it give you when you say to yourself: “I can’t do this”, versus “I’m still a beginner, I’m going to practise this now.” In the first case, you’re not giving yourself a chance. I can’t, I’ll never be able to. In the second case, you are allowing yourself to practise and of course make mistakes from which you can learn. Sure, it may not work the first time, but the more I practise, the better I get.
You can also write down your self-talk and then compare the phrases you find less useful with more helpful ones. In this way, you can create a kind of vocabulary book for motivating self-talk. And gradually develop an awareness of how you can talk to yourself in a supportive way.
Let me know in the comments how this works out. And if you have any questions, you may of course ask them there too. I wish you every success with your new language competence.